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Akte der Barbarei und des Vandalismus als delicta juris gentium

Von Raphael Lemkin Staatsanwalt in Warschau, Mitglied und Sekretär der polnischen Kommission für Internationale juristische Zusammenarbeit. 

Anwaltsblatt Internationales (Wien), November 1933
 
This article was first published in the November 1933 issue of Anwaltsblatt Internationales (19. Jahrgang, Heft 6, p. ) a monthly law journal published in Vienna, Austria and edited by Dr. Rudolf Braun

The article is an abbreviated and modified version of the report Les actes constituant un danger general (interétatique) consideres comme delites des droit des gens Raphel Lemkin originally gave in October 1933 at the Fifth [Konferenz für Vereinheitlichung des Strafrechtes] in Madrid, Spain.  Though in 1933 Lemkin had intentionally avoided  mentioning  Nazism or Germany by name, a decade later he referred to this article as "a proposal for international repression of Nazi activities."

 

Delicta juris gentium

Akte der Barbarei

Akte des Vandalismus

Nachstehenden Thesen
 
Key writings of 
Raphael Lemkin
on Genocide

Quick Guide to the Series

Introduction

1933: 'General (Transnational) Danger'
1944: Axis Rule in Occupied Europe
1945: 'Genocide: A Modern Crime'
1946: 'The Crime of Genocide'
1947: 'Genocide as a Crime under International Law'

 

Delicta juris gentium

Das kennzeichnende Merkmal der delicta juris gentium, die ihre Einführung in die nationalen Strafgesetzbücher dem gemeinsamen Abwehrkampfe der Völker gegen diese Verbrechertum verdanken, beruht darin, daß diese am Orteder Festnahme des Täters, unabhängig von der staatlichen Zugehörigkeit des Verbrechers und von dem Orte der Tatbegehung, der strafrechtlichen Repression (Weltrepression) zugeführt werden. Wurde also ein Delikt dieser Art auf dem Territorium des Staates A vollbracht, der Täter aber auf dem Gebiete des Staates B betreten, dann wird der Staat B gleichwohl die Strafsanktion verhängen. 

Die I. Konferenz für Vereinheitlichung des Strafrechtes, die 1927 in Warschau tagte, setzte die Liste solcher Delikte fest und nahm, in dieselbe Strafhandlungen wie die Verfälschung von Münzen, Banknoten und Wertpapieren, den Sklaven-, Frauen- und Kinder- handel, das Piratentum, vorsätzliches Handeln, durch welches Gemeingefahr hervorgerufen werden kann, den Handeln mit narkotischen Mitteln und auch die Pornographie auf. Die nachfolgenden Konferenzen und interntionalen Kongresse führten sohin zur Erweiterung dieser Liste. So hat der Kongreß für vergleichendes Recht im Haag (1932) die selbe auch. auf Handlungen gegen die internationalen Verkehrseinrichtungen, die Verbreitung ansteckender Krankheiten, von Epidemien usw. ausgedehnt. 

Der Initiative des Richters am Obersten Gericht in Warschau Prof. E. St. Rappaport verdankt die Rechtswissenschaft die Konstruktion der Kriegshetze als eines Deliktes juris gentium. 

Der Bekämpfung aller dieser Verbrechen liegt, sei es ein materielles, sei es ein ideelles Interesse,der gesamten Kulturmenschheit zugrunde. Es muß die Existenzvonder gesamten zivilisierten Welt gemeinsamen Rechfsgütern sowie eines gemeinsamen Rechtsbewußtseins der Kulturvölker als gegeben angenommen werden. Verfolgt der Staat A ein auf dem Territorium eines anderen Staates,(B) begangenes delictum juris gentium, dann vollzieht er nicht etwa einen Akt bloßer Rechtshilfe gegenüber dem Staate,des vollbrachten Verbrechens, er handelt vielmehr im Namen des der gesamten Kulturmenschheit gemeinsamen Rechtsbewußseins, das den Schutz der Menschheitsgüter vor rechtsbrecherischer Verletzung ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen gebietet. 

Kann jene Liste der delicta juris gentium als erschöpft angesehen werden? Keines- wegs! 

Die Phantasie der Gesetzgeber ist ärmer als die Erfindungskraft der Verbrecher. Es ist das Los des Gesetzgebers, den Spuren des Geschehens nachzuhinken und im Bereiche des Strafrechtes Erscheinungen zu pönalisieren, die das Leben hervorgebracht hat, die aber mit dem Rechtsbewußtsein unvereinbar sind. 

Akte der Barbarei

Untersuchen wir die ratio legis solcher Delikte, wie den Sklaven-, Frauen- und Kinder- handel, so finden wir, daß diese ratio vorwiegend im Postulate der Humanität gelegen ist. Vor allem gilt es hier, die Freiheit und Würde des Menschen in Schutz zu nehmen, zu verhindern, daß der Mensch als Ware behandelt werde. 

Andere delicta juris gentium berühren das friedliche Zusammenleben der Völker und wirtschaftliche, auch kulturelle Zusammenarbeit der Welt (Kriegshetze, Zerstörung von Verkehrsmitteln, Falschmünzerei usw.) Den ersteren von den hier auf ihren Rechtsgrund analysierten Delikten liegen Eingriffe in die Individualsphäre des Menschen zugrunde, den letzteren die Eingriffe in die Sphäre der sozialen Beziehungen von Menschen und Menschengruppen zueinander. 

Das Leben bringt jedoch, wie wir zur Zeit konstatieren können, Kriminalitätsformen hervor, die beide Elemente, Eingriff in die Individualsphäre des Menschen und auch in die Sphäre des sozialen Zusammenwirkens der Kulturmenschheit, in sich vereinen und genug bedeutsam sind um eine Reaktion der gesamten Welt wachzurufen. Es sind dies Verletzungen des Individuums in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Gemeinschaft. Der Wille des Täters geht nicht allein dahin, den Menschen zu verletzen, es soll im gleichen Maß die Gruppe, der die Einzelperson angehört, in derselben und durch dieselbe getroffen werden Nicht die Menschheitsrechte des Individuums allein, auch die Grundlagen des sozialen Zusammenlebens der Menschheit sind Opfer dieser Straftaten: 

Hieher gehören vor allem alle auf die Ausrottung ethnischer, nationaler, konfessioneller, sozialer Menschheitsgruppen gerichteten Vergewaltigungen, mögen dieseelben politischen, religiösen oder sonstigen Beweggründen entspringen, wie Massacres, Pogrome, Zwangsinternierungen, wirtschaftliche Vernichtungsmaßnahmen u. dgl. barbarische Akte, die gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit, gegen die persönliche Freiheit und die wirtschaftliche Existenzmöglichkeit des Menschen gerichtet sind. 

Auch alle jene Brutalitäten, durch welche der einzelne in seiner Menschenwürde zu leiden hai, gehören in den Bereich der delicia juris gentium, falls seine Demütigung ihre Quelle in der Zugehörigkeit zu einer der obbezeichneten Gemeinschaften, gegen welche sich ein Exterminationskampf richtet, hat. Eben in dieser letzteren Eigenschaft liegt das unterscheidende Merkmal, welches die in Rede stehenden Strafhandlungen zu Delikten juris gentium emporheben. Hier wurde nicht lediglich die Privatsphäre des Individualmenschen, vielmehr auch und vor allem die Kollektivität, deren Mitglied er ist, betroffen. Die Auswirkungen solcher Strafhandlungen überschreiten gemeiniglich den Rahmen der privaten Beziehungen der Einzelpersonen zueinander; sie erschüttern die Grundlagen des Zusammenlebens gesellschaftlicher Gruppen innerhalb des Staates, ja selbst innerhalb der kulturellen Gemeinschaften des Menschen. 

Die gegen Gemeinschaften gerichteten Aktionen sind nicht lediglich Gemeingefahr (danger commun), sie sind eine Weltgefahr (danger general international) durch die Ansteckbarkeit sozialer Psychosen. Von ihrem Wesen ist die dauernde Bedrohung der Menschheit untrennbar. Wird doch der verbrecherische Erfolg einer gegen Kollektivitäten gerichteten Aktion nicht durch eine Einzelhandlung, sondern im Wege andauernder, systematischer Außerrechtsetzung erreicht. Hiedurch wird das Uebel perpetuiert. Nicht zuletzt sei auf die wirtschaftlichen Schäden solcher verbrecherischer Anschläge auf die Interessen der Menschheit hingewiesen. 

Das Postulat ihrer universellen Repression findet seine Rechtfertigung in der unvermeidbaren Störung des ökonomischen Gleichgewichtes der Gesellschaft durch Massen wanderungen verfolgter Gemeinschafts.mitglieder durch die hiedurch bedingten Erschütterungen von Handel und Gewerbe. Angesichts der überall gegebenen Sättigung des Arbeitsmarktes innerhalb der nationalen Wirtschaften bedeutet jede planlose, nicht durch die Interessen des Gaststaates, sondern durch bloße Gebote des Asylrechtes geduldete Immigration von Flüchtlingsmassen einen Eingriff in die wirtschaftliche Stabilität der Staaten. Das entwurzelte Milieu der Flüchtlinge gibt zumeist einen durchaus empfänglichen Boden für asoziale Stimmungen und Handlungen (siehe die Ermordung des letzten französichen Staatspräsidenten Doumer [mai 1932]).

Akte des Vandalismus

Der Extreminations kampf gegen Kollektivitäten kann auch seinen Ausdruck finden in der planmäßigen Zerstörung von Werken, in denen sich die geistige Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiete der Wissenschaft, kunst oder Literatur offenbart. Der Beitrag jeglicher Gemeinschaft zur Gesamtkultur bildet unbeschadet aller Besonderheiten der Einzelkulturen, em unveräußerliches Gemeineigentum der Menschheit. Die Zerstörung einzelner nationaler Kulturwerke muß als Vandalismus gegenüber dem internationalen Kulturgut angesehen werden. Der Täter fügt nicht bloß einen nicht wieder gutzumachenden Schaden dem Privateigentümer des zerstörten Gutes und der unmittelbar betroffenen Kollektivität, der der Privateigentümer angehört oder deren Geist das Werk entsprungen ist, zu; er schädigt die ganze zivilisierte Menschheit. 

Der Extreminationskampf gegen Kollektivitäten kann auch seinen Ausdruck finden in der planmäßigen Zerstörung von Werken, in denen sich die geistige Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiete der Wissenschaft, kunst oder Literatur offenbart. Der Beitrag jeglicher Gemeinschaft zur Gesamtkultur bildet unbeschadet aller Besonderheiten der Einzelkulturen, em unveräußerliches Gemeineigentum der Menschheit. Die Zerstörung einzelner nationaler Kulturwerke muß als Vandalismus gegenüber dem internationalen Kulturgut angesehen werden. Der Täter fügt nicht bloß einen nicht wieder gutzumachenden Schaden dem Privateigentümer des zerstörten Gutes und der unmittelbar betroffenen Kollekttivität, der der Privateigentümer anghört oder deren Geist das Werk entsprungen ist, zu; er schädigt die ganze zivilisierte Menschieit. 

Nachstehenden Thesen

Aus obigen Erwägungen habe ich mich veranlaßt gesehen, in meiner Eigenschaft alas Spezialreferent der Fünften internationalen Konferenz für Vereinheitlichung de Strafrechtes zu Madrid im Oktober 1933 die nachstehenden Thesen, die die Genehmigung des Präsidenten der polnischen Kommission für internationale juristische Zusammenarbeit Prof. E. St. Rappaport fanden, zur Beschlußfassung zu unterbreiten: 

Art. 1. Wer aus Haß gegen eine rassenmäßige, konfessionelle oder soziale Gemeinschaft, oder zum Zwecke ihrer Ausrottung eine strafbare Handlung gegen Leben, Gesundheit, Freiheit, Würde oder wirtschaftliche Existenz einer solchen Gemeinschaft angehörigen Person unternimmt, wird wegen Verbrechens der Barbarei mit Kerker in der Dauer von . . . . bestraft, insofern seine Handlung nicht nach einer strengeren Vorschrift des Strafgesetzbuches einer schwereren Strafe unterliegt. 

Derselben Strafe unterliegt der Täter, falls seine Handlungen gegen eine Person gerichtet war die ihre Solidarität mit einer solchen Gemeinschaft bekundet hat oder für dieselbe eingetreten ist, ohne ihr selbst anzugehören. 

Art. 2. Wer aus Haß gegen eine der sub. 1 bezeichneten Gemeinschaften oder zum Zwecke ihrer Ausrottung Kunst- oder Kulturwerke (derselben) vernichtet, wird wegen Verbrechens des Vandalismus mit Gefängnis in der Dauer von . . . . bestraft, insofern seine Handlung nicht nach anderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches einer strengeren Strafe unterliegt. 

Art. 3. Die in den obenstehenden Artikeln bezeichneten Strafhandlungen werden vom Staate, in welchem der Täter ergriffen worden ist, verfolgt und bestraft, unabhängig vom Orte der vollbrachten Tat und der staatlichen Zugehörigkeit des Täters. 


 

 
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13 April 2000
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